Das 100-Prozent-Sonnenhaus

Um ein solches Ergebnis zu erreichen, muss der Bauherr aber zunächst massiv investieren: Erstens in eine sehr große Kollektorfläche, um überhaupt genügend Sonnenenergie tanken zu können – das komplette Süddach, am besten mit steiler Neigung, ist da gerade ausreichend. Und zweitens natürlich in einen sehr großen Pufferspeicher, um die eingefangene Wärme auch über längere Zeit speichern zu können. Reine Sonnenhäuser benötigen dabei Solartanks mit mehreren zehntausend Litern Volumen. Solche Tanks kosten schnell so viel wie ein Mittelklasseauto. Hinzu kommt, dass bei einem 100-Prozent-Sonnenhaus sowohl die Kollektorfläche als auch die Tanks überdimensioniert sein müssen – sie müssen rein rechnerisch in der Lage sein, deutlich mehr als 100 Prozent solare Deckung bereitstellen zu können. Grund: Selbst während ungewöhnlich langer winterlicher Kälteperioden will es der Hausbesitzer warm haben.

Da selbst der Riesentank eines Sonnenhauses meist nicht die ganze Energie für einen Winter speichern kann, müssen die Solarkollektoren auch in der kalten Jahreszeit liefern. Das tun sie auch, erreichen dabei allerdings nicht das Temperaturniveau, das im Sommer möglich ist. Da die Solarspeicher als Schichtspeicher ausgelegt sind, funktioniert die solare Beheizung trotzdem: Im unteren Teil des Speichers befindet sich nur mäßig erwärmtes Wasser, so dass in diesem Bereich mittels Wärmetauscher auch die Ausbeute eher schwacher Sonnenstrahlung eingelagert werden kann. In den oberen Schichten des Speichers wird es zunehmend wärmer, hier bringen die Wärmetauscher die Ausbeute kräftigerer Sonnenstrahlung ein. Für den Betrieb der fürs Sonnenhaus obligatorischen Flächenheizung reicht übrigens wegen der großen Abstrahlfläche mäßige Temperatur, so dass auch die schwache Wintersonne genutzt werden kann.

Erste Experimentalbauten, die die Sonnenenergie massiv zu Heizzwecken nutzen, gab es schon vor vielen Jahrzehnten. Das erste Sonnenhaus in unseren Breitengraden, welches den heute gültigen Vorstellungen entspricht und das tatsächlich ganz ohne zusätzliche Heizung auskommt, wurde vor gut 20 Jahren vom Solarpionier Josef Jenni in der Schweiz errichtet. Es sollte damals bewiesen werden, dass ein reines Sonnenhaus technisch möglich ist. Dieses Haus verfügt über drei Pufferspeicher mit insgesamt 118.000 Litern Volumen und 84 Quadratmetern Kollektorfläche. Diese Auslegung erwies sich übrigens später als deutlich überdimensioniert: Heute werden Einfamilien-Sonnenhäuser üblicherweise mit Pufferspeichern von 30.000 bis 40.000 Litern Volumen ausgestattet.

Ein kostengünstiger Kompromiss zum 100-Prozent-Sonnenhaus ist das Beinahe-Sonnenhaus, das fast 100 Prozent solare Deckung erreicht. Ein Bauträger aus Chemnitz hat das sogenannte Energetikhaus 100 entwickelt, wobei die Zahl 100 etwas gemogelt ist: Im Schnitt 95 Prozent Solardeckungsgrad verspricht der Anbieter für seine zwischen 100 bis 190 Quadratmeter großen Typenhäuser, die zumeist mit einem rund 30.000 Liter fassenden Speicher und großer Kollektorfläche mit Südausrichtung ausgestattet sind. In milden Wintern kommen die Häuser bei normaler Nutzung unter Umständen sogar alleine mit Sonnenenergie aus, bei längeren Kälteperioden mit wenig Sonne springt ein wasserführender Kaminofen ein, der nicht nur den Raum in dem er steht, erwärmt, sondern zusätzlich auch den Pufferspeicher.

Für alle Sonnenhäuser gilt: Sie müssen gut gedämmt sein, um zu funktionieren: Mindestens der KfW-Effizienzhaus-70-Standard wird gefordert. Solche Gebäude kommen mit 30 Prozent weniger Heizenergie aus, als dies gesetzlich von der ohnehin schon strengen Energieeinsparverordnung (EnEV) gefordert wird. Zusätzlich sollen große Glasflächen nach Süden ausgerichtet sein, um eine passive Nutzung der Sonnenenergie zu gewährleisten.